In 3 Punkten logisch erklärt, warum derselbe Wein für jeden anders schmeckt und wieso es möglich ist, Wasser zu schmecken.
Nach dem Lesen dieses Artikels weißt du genau, warum Wasser einen Eigengeschmack hat und warum Geschmäcker verschieden sind, da du verstehst, welche Punkte unseren individuellen Geschmack ausmachen. Zusätzlich gibt es eine absolut logische Erklärung, warum jemand Aromen aus einem Wein schmeckt, die du selbst vielleicht nicht nachvollziehen kannst und umgekehrt.
Mit diesem Wissen im Gepäck fühlst du dich motivierter öfter über deinen Geschmack zu sprechen, selbst und bewusster zu sagen, wie es dir schmeckt. Die Frage ‘Na, wie schmeckts?’ bekommt so eine ganz neue Intention.
Hast du den Ausdruck ‘schmeckt wie Wasser’ schon ein Mal gehört?
Eher selten ist dieses Kommentar positiv gemeint und (bisher) habe ich es immer als rhetorische Aussage wahrgenommen, die ich noch nie jemanden beantworten gehört habe.
Als ich diesen Satz vor einigen Jahren jedoch bei einer Weinverkostung hörte, konnte ich nicht anders als diesen weiter zu denken. Was genau, im Detail, war damit gemeint? Wie schmeckt dieser Person denn Wasser? An welchen Parametern würde ich es selbst messen?
Hast du dich schon mal gefragt, warum jemand anderes aus einem Glas Wein, einer Speise oder einem Getränk etwas ganz anders als du herausschmeckt?
Keine Sorge. Dies ist kein Artikel über Wasser oder Psychologie, sondern über die eigene Fähigkeit und Voraussetzung die es braucht um zu schmecken. Wir landen hier direkt in meinem Lieblingsthema: die Wissenschaft von Geschmack.
Diese sehr simple Erklärung warum jeder Mensch anders schmeckt löst in meinen Weinkursen den größten AHA-Effekt aus. Bei Genussmenschen wie auch Weinprofis.
Das Wissen, warum jeder anders schmeckt und warum sich der eigene Geschmack ganz ohne unser zutun verändert, ist für mich ein ausschlaggebendes Basiswissen um in das Thema Wein (und Speisen) einzutauchen. Außerdem finde ich, gehört dieses Wissen zum guten Ton, da somit gewissen vorlauten Persönlichkeiten die Grundlage für unfreundliches oder herablassendes Verhalten in kulinarischem Rahmen genommen wird.
Leider beweist es uns auch, dass ein Mensch der einen Wein ident zu der Person neben sich beschreibt, ohne Unterschiede, nicht bewusst schmeckt oder dem Gruppenzwang am Tisch zum Opfer gefallen ist.
Eines wirst du am Ende dieser Zeilen ganz selbstverständlich finden. Es ist nicht möglich, dass zwei Personen komplett gleich schmecken und auch nicht, dass derselbe Tropfen Wasser/Wein heute für Sie ident wie morgen schmeckt.
1. Wasser und alle Getränke die wir zu uns nehmen, haben einen pH-Wert. Auch unsere Saliva, also die Flüssigkeit im Mund. Darin enthalten sind auch Enzyme, die es ermöglichen Aromen überhaupt erst freizusetzen.
Leitungswasser hat einen pH-Wert von 7. Ein pH-Wert von 8 ist zum Beispiel Salzwasser. Espresso hat einen Wert circa 5. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass du den Unterschied zwischen diesen schmeckst. Je niedriger dieser Wert, desto säurebetonter ist die Flüssigkeit. Je höher diese Zahl, desto weniger 'sauer' ist es.
Die Flüssigkeit in deinem Mund hat hingegen durchschnittlich einen pH-Wert von 6, dieser Messwert ist aber je nach Person unterschiedlich. Er ändert sich außerdem durch die jeweilige körperlicher Verfassung oder hängt davon ab, ob du heute schon viel Wasser getrunken hast oder weniger. Die Saliva ändert sich obendrein auch mit jedem Getränk dass du zu dir nimmst. Für den Moment in dem du zum Beispiel einen Schluck Weißwein trinkst, passt sich die Saliva mehr dem pH-Wert des Weißwein an, da diese Flüssigkeit dann überwiegt.
TASTING TIPP: Wie intensiv die Säure von einem Wein ist, lässt sich gut daran erkennen wie viel Flüssigkeit dein Mund nach einem Schluck davon nachproduziert. Je Säurebetonter der Wein, desto mehr Flüssigkeit folgt nach. Säure ist beim Verkosten selbst nicht immer klar zu erkennen, Weine mit mehr Restzucker haben den Anschein weniger säurebetont zu sein, als sie wirklich sind.
ACHTUNG: Der pH-Wert auf einer Weinflasche sagt jedoch nichts darüber aus, wie Sauer ein Wein für Sie persönlich schmecken wird. Dafür spielen andere Faktoren im Wein noch mit. Außerdem sind im Wein, je nach Art, unterschiedliche Säuren enthalten die auch anders gemessen werden können. Dies ist aber sehr detailliertes Thema für einen anderen Tag.
2. Das einzige in Ihrem Leben, das absolut keinen Geschmack für dich hat ist deine eigene Saliva. Die Flüssigkeit in deinem Mund.
Die Saliva enthält, je nach Person, unterschiedliche Inhaltsstoffe, Proteine und Enzyme. Gerade Enzyme sind wichtig, da diese die Fähigkeit haben gewisse Aromen freizusetzen und 'schmeckbar' zu machen. Wenn manche Enzyme fehlen, werden also Aromen nicht freigesetzt und sind dadurch gar nicht oder nur schwer erkennbar.
Das Faszinierende daran ist aber die Tatsache, dass sich dein Geschmack jenem Reiz anpasst, dem er in kurzer Zeit sehr häufig ausgesetzt ist. Intensität der Wahrnehmung nimmt also mit der Häufigkeit ab, und man benötigen einen noch stärkeren/höheren Reiz (zum Beispiel von Säure) damit diese überhaupt wieder wahrnehmbar ist.
Da du 24 Stunden am Tag dem leicht salzigen Geschmack deiner Saliva ausgesetzt bist kannst du diesen nicht mehr wahrnehmen. Du bist dagegen sozusagen immun geworden. Sobald du einen Schluck Wasser trinkst, wird dieser sofort erkannt da er sich von deiner Saliva unterscheidet und einen sehr neutralen pH-Wert hat im Gegensatz zu anderen Getränken. Je neutraler das Getränk, desto eher wirst du die Aussage 'schmeckt wie Wasser' hören.
3. Die körperliche Voraussetzung sowie der pH-Wert ändert sich im Laufe des Tages, mit jedem Mal wenn du einen Schluck trinkst und natürlich mit deiner körperlichen Verfassung, von Tag zu Tag.
Messbar ist dieser ganz simpel mit einem pH-Wert Teststreifen. Im Tasting Atelier beginnen wir unsere Wein- und Getränkekurse immer mit einem dieser Teststreifen, da es die Unterschiede der Teilnehmer visuell gut aufzeigt. Es ist wichtig zu Wissen dass dies aber nichts darüber aussagt, ob jemand ein guter oder schlechter Verkoster ist. Es dient nur dazu aufzuzeigen, dass unterschiedliche Ausgangspositionen herrschen die alles Weitere sehr wohl beeinflussen können.
Auch die Psyche, Emotionen oder ganz simpel die Aufmerksamkeit macht einen Unterschied in unseren Werten da unser Körper darauf reagiert und dies wiederum messbar ist.
Ich glaube dass hiermit auch das Phänomen Urlaubswein für dich eine sehr logische und verständliche Erklärung bekommen hat.
Das sind also die drei Punkte die den Geschmack individuell machen.
Der jeweilige Ausgangspunkt der Saliva
Gene und Enzyme
Die jeweilige körperliche Tagesverfassung und Aufmerksamkeit
Jeder von uns hat durch seine Saliva (die Flüssigkeit im Mund) einen individuellen ‘Ausgangspunkt’ wie zum Beispiel pH-Wert und Enzyme sowie eine ‘Null-Geschmack Zone’ da wir die eigene Mundflüssigkeit nicht schmecken, was und ermöglich sogar Wasser blind zu erkennen, da es sich von der Saliva unterscheidet.
Die jeweilige körperliche Tagesverfassung sowie die Aufmerksamkeit (oder Übung im Weintrinken und bewusst schmecken) die wir beim jedem Schluck investieren, geben dem individuellen Geschmack noch den Feinschliff.
Mein Fazit aus dieser Geschichte: Jeder schmeckt Wein anders, egal was du aus dem Wein herausschmeckst, ist auch wirklich für dich dort.
Niemand sollte sich heutzutage mehr ‘nicht trauen’ zu sagen was er aus einem Wein oder anderem Getränk herausschmeckt. Ich möchte mit diesem Artikel Wein-Beschreibungs-Snobbismus jede logische Erklärung entziehen.
INTERESSANT: Schmecken (egal ob mehr, weniger oder anders) wird zum überleben und funktionieren des Körpers benötigt. Wenn wir unser neues Wissen auf Speisen beziehen, würde ohne Geschmack Ihr Hirn niemals im Hintergrund den Magen darauf aufmerksam machen er sollte den PH Wert der Magensäure (meist ein PH Wert von 1) auf das Verdauen einer Karotte statt eines Stück Fleisch vorbereiten. Sie können sich bestimmt vorstellen, dass es andere Zusammensetzungen benötigt, um ein pflanzliches oder tierisches Lebensmittel aufzubereiten um wiederum dessen Nährstoffe freizusetzen.
Geschmack und die dazugehörende Neurowissenschaft funktioniert im Unterbewusstsein mit oder ohne dein zutun, aber du kannst entscheiden aus jedem Schluck einen Genuss zu machen und Getränken jene Aufmerksamkeit zu schenken, die auch dem Essen geschenkt wird.
Wie auch Sprachen, sind Aromen und die dafür verwendeten Wörter in jedem Land anders und keiner muss oder kann jedes Wort für jedes Aroma in allen Varianten parat haben. Ich kann Ihnen jedoch helfen, sich ein gutes Basis-Wissen anzueignen, mit Spiel, Spaß, Wissen und ja - richtig: Wein und allen Getränken die es Wert sind, genossen zu werden.
Tipp: Wenn du das nächste Mal ein Blatt Basilikum kriegst kaue es gaaaanz, ganz lange. Es wird irgendwann wie Kamille schmecken. Interessant, nicht? Oder schmeckt die Kamille sehr ähnlich dem Basilikum? Es sind zwei grundverschiedene Aromen, aber in ein und demselben Blatt enthalten. Eine tolles Experiment zum Zeitvertreib, wenn man mal einfach auf andere Gedanken kommen möchte.
Bevor du gehst habe ich eine Hausaufgabe für dich:
Kennst du jemanden der einen komplett anderen Geschmack hat als du selbst oder (noch interessanter) einen sehr ähnlichen Geschmack hat? Dann tu Folgendes: senden diesen Artikel direkt per Whatsapp oder E-Mail an diese Person und bestehen darauf dass ihr euch noch diese Woche auf ein Glas Wein (Bier, Saft, Kaffee oder Essen) zu treffen und unterhaltet euch bei jedem Bissen und Schluck darüber, WIE es euch schmeckt. Wo sind Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten? Es ist ein wundervolles Thema und man kann sehr viel dabei Lachen, versprochen!
Also, auf Prost geht's los!
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